DAS GLEICHGEWICHT (vestibuläres System)

Das Gleichgewichtsorgan nimmt alle Arten von Beschleunigungen, Drehbewegungen und Lageveränderungen war. Das Gleichgewicht ist auch für die Aufrechterhaltung des Körpers, für den Umgang mit der Schwerkraft und für die Orientierung im Raum zuständig.

Das Gleichgewichtsorgan befindet sich im Innenohr beim Hörorgan – Schnecke. Es besteht aus den drei Bogengängen und aus dem großen und dem kleinen Vorhofsäckchen.

Die Bogengänge sind für die Drehbewegungen zuständig. Ein Bogengang ist für die links-rechts Richtung, der zweite für die oben-unten Richtung und der dritte für die vorne-hinten Richtung verantwortlich. Durch die Bewegungen der Flüssigkeit in den Bogengängen werden die Sinneszellen angesprochen, die die Signale ins Gehirn senden. Zum Beispiel löst. eine Kopfdrehung durch die Bewegung der Flüssigkeit in den Bogengängen den Reiz aus, der durch die Sinneszellen als Signal zum Kleingehirn weitergeleitet wird und eine Reaktion, Rückmeldung – schnelle Bewegung der Augen hervorruft.  

In den Vorhofsäckchen liegen die Sinneszellen, die uns über die Lage im Raum informieren und für die lineare (gerade und senkrechte) Bewegung zuständig sind, z. B. Beschleunigung des Autos, Fahren im Aufzug.

Das Gleichgewicht und der Sehsinn arbeiten eng zusammen. Wir brauchen die Augen um das Gleichgewicht zu halten. Mit offenen Augen können wir normalerweise auf einem Bein stehen. Schließen wir die Augen, können wir das Gleichgewicht nicht mehr halten.

Die Wahrnehmungsprobleme im auditiven Bereich (Hören) treten oft zusammen mit Gleichgewichtsproblemen auf. Gehörlosen Menschen sind Tätigkeiten, wo starke Gleichgewichtsreize vorkommen, z. B. Karussell fahren oder Klettern nicht möglich.

Wir unterscheiden zwei Gruppen von Kindern, die ein Problem im Gleichgewicht haben. Die erste Gruppe sind die Kinder, die unterempfindlich auf Reize aus dem vestibulären System reagieren, kurz Reizsucher oder auch hyperaktive Kinder genannt. Die zweite Gruppe bilden Kinder, die das Gegenteil der Reizsucher darstellen, die überempfindlich auf die Reize aus dem vestibulären System reagieren, kurz Reizvermeider.

Aufgrund bestimmter Reaktionen der Kinder können wir Probleme im Bereich des Gleichgewichts erkennen.

Die Reizsucher erledigen alle Aufgaben viel schneller als andere Kinder. Sie zeigen unstillbaren Bewegungsdrang. Sie können nicht über längere Zeit bei einem Spiel, einer Tätigkeit bleiben. Sie wechseln ständig die Aktivitäten. Sie sind sehr unruhig. Diese Kinder können nicht ruhig sitzen, sie fallen manchmal vom Sessel runter. Sie müssen die ganze Aufmerksamkeit in der Schule auf das Sitzen am Sessel richten. Es ist ihnen dadurch nicht möglich gleichzeitig schön zu schreiben oder andere schulische Aufgaben in Ruhe konzentriert auszuführen bzw. dem Unterricht zu folgen. Am Boden oder beim Knietisch können sie sich ruhiger beschäftigen, lernen oder zuhören (sie müssen sich nicht auf das Halten des Gleichgewichts konzentrieren).  Sie laufen auch noch im Schulalter auf den Zehenspitzen. Sie klettern hoch und springen herunter ohne die Gefahr abschätzen zu können.

Die Reizvermeider beschäftigen sich gerne alleine. Sie sind unauffällige ruhige Kinder. Als Babys schlafen sie sehr viel und zeigen weniger Bewegungsdrang. Sie sind langsam, schlaff, wirken müde. Die Körperhaltung ist schlapp. Beim Gehen halten sie sich an den Gegenständen oder an der Wand fest oder sie haben gerne etwas in den Händen. Manche Kinder haben einen schweren Gang. Beim Stehen lehnen sie sich gerne an. Sie werden, im Vergleich zu anderen Kindern, später „sauber“.

Im Allgemeinen können bei Kindern mit Problemen im vestibulären System verschiedene Auffälligkeiten vorkommen:

Beim Sitzen unterstützen/stabilisieren sie sich mit einem Fuß unter dem Hintern.  Es fällt ihnen in manchen Situationen schwer anderen Menschen, die mit ihnen sprechen, in die Augen zu schauen. Der Grund dafür sind die Augen, die in Bewegung sind. Das Gleichgewicht muss sich zuerst stabilisieren, dann beruhigen sich auch die Augen. Bei manchen dieser Kinder funktioniert das Überkreuzen der Körpermitte nicht. Sie haben die Diagonale nicht gut entwickelt. Es kommt vor allem bei Kindern vor, die im ersten Lebensjahr nicht alle Bewegungsphasen durchgemacht haben, z. B. das Krabbeln. Sie wirken steif im Becken. Bei konzentrierten Vorgängen machen manche Kinder bestimmte unbewusste Bewegungen, z. B. die Zunge in eine Richtung zeigen (beim Laufen, Schreiben, …). Wie bei allen anderen Wahrnehmungsstörungen haben diese Kinder häufiger Probleme mit dem Erlernen des Lesens, Schreibens und Rechnens.